Kommentier doch! Ällabätsch!

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Jedes mittelgroße CMS und jede durchschnittliche Blogsoftware hat ein integriertes Subsystem, um Lesern das Hinterlassen von Kommentaren zu ermöglichen, und um dem Betreiber der Site eine in die Software integrierte Schnittstelle für die administrativen Tätigkeiten rund um die Kommentare zu geben.

Das hat viele Vorteile.

Zum Beispiel den Vorteil, dass es in die Software integriert ist und somit sowohl aus Leser-, als auch aus Betreibersicht eine einheitliche Schnittstelle zur Verfügung stellt. Dieses integrierte Subsystem ist ausgereift, fehlerfrei, im Regelfall durch Plugins erweiterbar und es gibt auch zuverlässige, vielfach erprobte Erweiterungen zum Spamschutz.

Auch hat es den Vorteil, dass die Daten der Kommentatoren (sowohl freiwillige Angaben, als auch ein technisches Datum wie die IP-Adresse, die für die Kommentierung verwendet wurde) in der Hand des Sitebetreibers bleiben, so dass er zuverlässige Aussagen über die Verwendung der Daten und den Datenschutz machen kann. Er kann sogar Vorkehrungen treffen, dass potenziell identifizierende Daten wie die IP-Adresse nicht »für die Ewigkeit« gespeichert, sondern nach einer bestimmten Frist gelöscht werden. Und sollte einmal eine Aufforderung zur Auskunft nach Bundesdatenschutzgesetz kommen, welche Daten überhaupt gespeichert werden, so kann diese wahrheitsgemäß beantwortet werden und eventuelle Wünsche einer Datenlöschung können einfach gewährt werden. Diese »Wünsche« sind in der Bundesrepublik Deutschland übrigens ein Recht.

Natürlich – und das ist ebenfalls ein Vorteil, und das nicht erst, seit bekannt geworden ist, dass sich die Geheimdienste klandestin in zentralen Datensammlungen »bedienen« – bleiben die als Kommentar eingegebenen Daten auch im Datenbestand der Site, die kommentiert wurde. Sie fließen nicht bei einem zentralen Kommentardienstanbieter zusammen, der möglicherweise eine Unternehmung ohne seriöses Geschäftsmodell ist, die mit site-übergreifendem Tracking und data mining tief in die Privatsphäre anderer Menschen eindringt. Die angeklickte Checkbox vor dem Satz »Ich habe die Nutzungsbedingungen gelesen und bin damit einverstanden« zusammen mit einem kalten, nutzerverachtenden Link auf zehn bis dreißig Druckseiten literarisch ungenießbaren Augenpulvers ist die häufigste und zudem eine beinahe immer halb erzwungene Lüge des Internetzeitalters.

Ich weiß übrigens nicht, wie das Geschäftsmodell von »Disqus« aussieht und kann darüber nur mutmaßen. Ich habe eben die Homepage dieser Klitsche besucht, und diese Homepage hatte mir nichts zu sagen. Es war eine weiße Seite. Nicht einmal ein Impressum war verfügbar, geschweige dann eine Erklärung zum Datenschutz oder vergleichbare Informationen. Und nein: Ich erlaube nicht jeder dahergelaufenen Website, dass sie Code in meinem Browser ausführt. Deshalb konnte ich das Video¹ auf der Startseite, das mutmaßlich auf dumme Reklame an Stelle von wichtiger Information setzte, nicht »genießen«. Die Abkürzung HTML steht übrigens für »Hypertext Markup Language«. Dieses HTML hat also etwas mit »Text« zu tun. Es ist deshalb auch nicht weiter schwierig, textuelle Informationen in einem HTML-Dokument unterzubringen, sondern genau das ist die Grundfunktion seit 1993. Wer als gewerblicher Betreiber einer Website auf die Nutzung dieser Grundfunktion aus völlig rätselhaften Gründen verzichtet, ist in meinen Augen entweder dumm oder bösartig – weitere Erklärungsmöglichkeiten wollen mir beim besten Willen nicht einfallen. Nach diesem kurzen, aber nachhaltigen ersten Eindruck habe ich mir weitere Recherchen zu einem meiner Meinung nach entweder dummen oder bösartigen Unternehmen erspart.

Das ist übrigens ein weiterer Vorteil der Kommentarfunktion, die in jedem mittelgroßen CMS oder Blogsystem integriert ist: Es handelt sich dabei um ein einfaches HTML-Formular, dessen Nutzung auch dann möglich ist, wenn man einer Website nicht das Ausführen von Code im Browser gestattet. In einigen <INPUT>s werden Metadaten wie angezeigter Name, Mailadresse und eventuelle weitere Angaben eingegeben, in einer einfachen <TEXTAREA> ist Raum, einen Kommentar zu formulieren. Dazu ein Submit-Button, der die Eingaben an den Webserver überträgt. Sicher, das ist »unmodern« und schmeckt nach Neunziger Jahre, aber es ist sehr robust und HTML-Grundfunktionalität, die mit wirklich jedem Browser auf jedem Gerät läuft. Selbst körperlich schwer behinderte Menschen, deren Weg ins Internet über Lynx und spezielle Schnittstellen führt, können eine solche Kommentarfunktion nutzen. Aber auch jeder Mensch, der verstanden hat, dass die meisten ausgebeuteten Sicherheitslücken in Webbrowsern über Schwächen der JavaScript-Implementation funktionieren und der deshalb JavaScript nur in sehr wenigen Websites erlaubt, erhält die Möglichkeit, barrierefrei zu kommentieren, ohne eine weitere Ausnahme konfigurieren zu müssen.

Welche »Vorteile« es hingegen hat, eine integrierte Funktion einfach nicht zu nutzen, und an ihrer Stelle eine Nachbildung der integrierten Funktion durch den JavaScript-Code eines externen Anbieters zu verwenden, will mir nicht so einfach einleuchten. Vielleicht gibt es da draußen ja Menschen, die ein Blog führen und allen Ernstes glauben, dass es ein Vorteil ist, …

  • …wenn nur Menschen kommentieren können, die gleichgültig mit ihrer Privatsphäre umgehen und die nichts gegen data mining mitten in ihrem Leben haben,
  • …wenn nur Menschen kommentieren können, die sich nicht daran stören, dass sie auf einer Website kommentieren, deren Betreiber das Bedürfnis seiner Leser nach Datenschutz völlig gleichgültig ist,
  • …wenn nur Menschen kommentieren können, denen die Sicherheit ihres Computers so gleichgültig ist, dass sie jeder Website das Ausführen von Code im Browser gestatten,
  • …wenn nur Menschen kommentieren können, die nicht schwer körperbehindert sind,
  • …wenn nur Menschen kommentieren können, denen es vollkommen gleichgültig ist, dass sie dabei die Dienste eines gewerblichen Anbieters in Anspruch nehmen müssen, dessen Website so dubios ist, dass nicht einmal ein Impressum über die Startseite des Webauftritts dieses Anbieters zugänglich ist, und
  • …wenn zudem die administrativen Tätigkeiten rund um die Leserkommentare nicht über die Schnittstellen im Blogsystem oder CMS erledigt werden, sondern über eine zweite Stelle.

Ich kann darin jedenfalls keinen Vorteil erblicken. Wenn zudem in einem exquisit deutschsprachigen Blog die Aufforderung »Please enable JavaScript to view the comments powered by Disqus« erscheint, während jedes mittelgroße Blogsystem oder CMS vollständig und meist ansprechend ins Deutsche übersetzt ist, erscheint die Verwendung von »Disqus« noch idiotischer. »Disqus« ist genau das Richtige für die Deppen 2.0, bei denen ein dummer Kopf auf einem gesunden Körper thront.

Kann nicht mal bitte jemand Hirn vom Himmel regnen lassen?! Oh, gucke mal, da hinten spannt ein Blogger einen Regenschirm auf… 🙁

Der Screenshot ist ein Beispiel von hunderten. Die Dummheit breitet sich wie ein rasender Fraß im Web aus. Und zwar seit Jahren.

¹Um herauszubekommen, was auf der Seite dargestellt werden sollte, muss ich mir den HTML-Quelltext anschauen.

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10 Antworten zu Kommentier doch! Ällabätsch!

  1. tux. sagt:

    Eingebaute Kommentarsysteme sind uncool. Ghost und Octopress haben absichtlich keines, »gibt ja Disqus«…

  2. tux. sagt:

    (Ich habe neulich ein Disqus-ähnliches System zum Selberhosten gesehen, aber den Link verlegt…)

  3. tux. sagt:

    Ach, eins noch: IntenseDebate (von Automattic selbst propagiert und mitentwickelt) ist eine Disqus-Alternative, die zumindest das eigene ACP mitbenutzt. Liegt trotzdem doof auf fremden Servern rum.

  4. Steffen sagt:

    Und ich fürchtete schon der einzige zu sein, der den Sinn hinter diesem komischen Disqus-System nicht ganz versteht. Nicht, dass ich als Blinder solche Systeme nicht bedienen könnte, aber ich kann darin jedenfalls keinen Mehrwert beim Kommentieren feststellen.

  5. Steffen sagt:

    Ach, ihr immer mit eurem neumodischen Vernetzungskrams. Also als ich noch jung war, konnte man Fratzenbücher noch in die Hand nehmen und nur die Vögel in den Bäumen twitterten vor sich hin… 😀

    • tux. sagt:

      Hey, halt‹ mich da raus! Ich facebooke nicht. 😀

    • Gast sagt:

      Ihr mit eurem neumodischen Papierkrams. Wir haben uns den Kram entweder gemerkt, oder einfach in Steintafeln gehämmert. Das heißt, die von uns die Lesen konnten. Das war damals ja auch noch nicht so üblich und auch viel besser so…

  6. Martin sagt:

    Sehr schön. 🙂
    Ich finde es auch erschrecken wie viele Seiten Disqus, Facebook oder Google+ für ihre Kommentare nutzen. Ich habe kürzlich fieberhaft nach einer Art Disqus zum selbst hosten gesucht.
    Das scheint aber nicht so einfach zu sein. Ich habe nur zwei Projekte gefunden und da hatte ich keine Ahnung wie ich das zum Laufen bekommen soll.

    Gruß
    Martin

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