Gegendertes WordPress für Benutzerinnen

Bevor ich ansetzte, diesen kleinen Text zu schreiben, habe ich einen ganzen Tag lang Abstand genommen, um jeden Trollimpuls in mir zu lähmen, und das war nicht einfach. Doch in diesem Fall glaube ich, dass mit Trollerei niemandem geholfen ist.

Bezug des Textes ist die Anregung im Blogposting »toscho.design: Generisches Femininum in der deutschen WordPress-Sprachdatei?«. Wer diesen Artikel nicht kennt, möge ihn bitte kurz lesen, ich werde die dort gegebene Anregung hier nicht wiederholen.

Zunächst eine reine Meinungsäußerung: Ich erachte die Idee einer Standardübersetzung mit »diskriminierungsfreier Sprache« im Sinne der gegenwärtigen Gender-Ideologie als dumm, aber keineswegs als so indiskutabel dumm, dass ich kopfschüttelnd darüber hinweggehen möchte.

Ich sehe kein Problem darin, wenn eine weitere Sprachdatei zur Verfügung gestellt wird. Es scheint mir auch kein Problem darin zu liegen, wenn diese Sprachdatei im Wortgebrauch Weltanschauungen zu verbreiten sucht, die nicht die meinen sind und es dafür in Kauf nimmt, sich von der Standardsprache zu entfernen. Gettext macht es ja auch (abgesehen von der ganzen mit dem Übersetzen verbundenen Arbeit) erfreulich einfach, eine Übersetzung anzufertigen, vor allem, wenn man sich mit Hilfsmitteln wie poedit die direkte »Konfrontation« mit der gettext-Werkzeugkette ersparen kann und die zu übersetzenden Zeichenketten in einer Benutzerschnittstelle präsentiert bekommt. Es soll sich also niemand davon abhalten lassen, eine andere Übersetzung in eine Nichtstandard-Sprache anzufertigen! Dass wir alle das so frei und problemlos können, ist begrüßenswerter Teil des technischen Fortschritts der letzten Jahrzehnte und der Verfügbarkeit Freier Software – ein Teil übrigens, der es für uns inzwischen so sehr zur Selbstverständlichkeit gemacht hat, dass uns Software in einer Sprache entgegentritt, in der wir schreiben, fühlen und denken, dass viele Menschen mit Befremden und Unverständnis darauf reagieren, wenn einmal eine Software nur in englischer Sprache verfügbar ist.

Ich sehe ebenfalls kein Problem darin, wenn auf eine quasi-offiziellen Website wie etwa WordPress Deutschland der Inpsyde GmbH verschiedene »Distributionen« von WordPress zur Verfügung gestellt werden, die jeweils mit einer bestimmten Sprachdatei vorbereitet sind, so dass jemand (oder jefrud) schon vom Moment der Installation an, direkt nach dem Download, die gewünschte Sprachregelung vorfindet. Den zusätzlichen Pflegeaufwand für derartige »Distributionen« halte ich, wenn die Übersetzungen erst einmal fertig sind und nur noch an neue Versionen angepasst werden müssen, für eher gering. (Es handelt sich neben der Sprachdatei nur noch um eine Handvoll statischer Zeichenketten in den Quelltexten.) Der Aufwand für die Anfertigung einer eigenständigen Übersetzung oder für die Anpassung einer bestehenden standardsprachlichen Übersetzung bleibt natürlich bestehen. Ich glaube auch, dass sich Menschen finden, die eine solche Anpassung der Übersetzung zeitnah pflegen können und das auch tun werden. Es soll ja eine ganze Reihe gutbesoldeter Frauen mit Quotenhintergrund in Professorenämtern geben, denen es an richtigen Forschungstätigkeiten mangelt¹… oh merde! Jetzt hat der unterdrückte Troll in mir auch mal wieder etwas sagen wollen.

Aber einmal im Ernst und ganz im Gegenteil, ein solcher Schritt könnte ähnliche Sprachprojekte längs der WordPress-Übersetzung beflügeln, etwa eine Übersetzung ins Niederdeutsche, ins Niederfränkische oder Bairische, was ja innerhalb des deutschen Sprachraums nicht gerade kleine Sprachgemeinschaften sind. Ich habe tatsächlich mehr Menschen kennengelernt, die platt sprechen als dass ich Menschen kennengelernt hätte, die sich der recht künstlichen und fremdkörperhaft-bürokratisch wirkenden gender-ideologischen – Anhänger lesen dieses Wort bitte als: diskriminierungsfreien – Sprachregelungen auch in der Alltagssprache bedienten.

Ich sehe allerdings ein Problem darin, wenn eine solche Sprachdatei zum Standard gemacht wird, um über den Hebel einer halbmillionenfach heruntergeladenen Software ein politisches Anliegen zu transportieren.

Natürlich kann man das tun (das meint das Wort von der »Freiheit«), aber es schmeckt nach Propaganda. Und es wird beim Lesen nicht nur in meinem Munde nach Propaganda schmecken. Es schmeckt nach dem Ausnutzen einer gewachsenen CMS-Quasimonopolstellung zum Zweck der Manipulation. Man wird sich bei Inpsyde sicherlich auch jetzt noch schwach an den September 2007 erinnern und daher ahnen, welche Verwerfungen ein solcher Geschmack zur Folge haben kann², bis hin zum versuchten (oder gar erfolgreichen) Aufbau einer alternativen deutschsprachigen WordPress-Community. Ich erwarte bei einem derartigen, ideologisch motivierten Abweichen von der gewöhnlichen deutschen Schriftsprache hin zu einem Gender-Neusprech – Anhänger lesen dieses Wort bitte als: eine diskriminierungsfreie Sprache – vergleichbar heftige Verwerfungen. Und zwar für nichts. Gerade unter den Bloggenden – um selbst einmal ein künstliches Wort Neusprech zu produzieren – herrscht oft eine gesteigerte Sensitivität gegenüber sprachlichen Manipulationsversuchen. Natürlich ist die Standardsprache für viele denkbare Verwendungen eines WordPress-Blogs auch einfach angemessener, es soll ja auch geschäftliche Anwendungen mit WordPress als Kern geben…

Ich würde in so einem Fall auf der Stelle damit anfangen, eine standardsprachliche Übersetzung zu erstellen und zu pflegen (und hoffen, dass sich noch ein paar Leute anschließen) und diese zum freien Download anbieten. Mit ätzender Polemik als »Dank« für diese Mühe und die mir geraubte Lebenszeit, die ich lieber mit anderen Tätigkeiten verbrächte, würde ich dabei nicht sparen.

Den vielen Menschen, die sich an der Existenz eines grammatischen Geschlechts in der Sprache stören, lege ich nahe, doch einfach ein englischsprachiges WordPress zu verwenden. In der englischen Sprache gibt es derartige Erscheinungen nicht. Und jeder halbwegs gebildete Mensch kann Englisch. Ebenfalls geeignet ist eine Übersetzung in eine der skandinavischen Sprachen (außer Isländisch), wo es ein gemeinsames grammatisches Geschlecht für männlich und weiblich gibt. Sprachen lernen soll ja den Horizont erweitern. Mir scheints, das haben einige Menschen zurzeit sehr nötig…

Fußnoten

¹Solche neckischen, kleinen Trollereien habt ihr davon, wenn vom Leistungsprinzip zu einem Quotenprinzip gewechselt wird…

²Wer in Alzheim wohnt oder damals noch zu jung war: Dieser Thread im Supportforum kann einen kleinen Eindruck geben, allerdings existieren heute etliche damals verlinkte Sites nicht mehr. Er ist das Blättern durch die Seiten in einer entspannten Stunde wert.

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2 Antworten zu Gegendertes WordPress für Benutzerinnen

  1. Lana sagt:

    Hallo! Wenn Sie wollen, um Sprachdateien von WordPress Themes zu übersetzen, können Sie sehr einfach diese benutzerfreundliche, webbasierte, kollaborative Lokalisierungstool benutzen: http://poeditor.com/
    Es gibt sogar ein Plugin, das integriert die POEditor API in Ihre WordPress – http://wordpress.org/extend/plugins/poeditor/ Ich empfehle es.

    • Ich empfehle das hingegen weniger, denn dieser Kommentar sieht recht »spammig« aus und greift nur ganz oberflächlich einen Bezug zum Text auf. Deshalb, und nur deshalb, habe ich die Links »entwertet«.

      Was soll ich mit einem »webbasierten« Dings, wenn ich eine richtige Anwendung wie poedit benutzen kann, die überdem nicht nur kostenlos, sondern sogar frei (im Sinne von »Freiheit«) ist. So eine tolle Anwendungsplattform ist der Browser wirklich nicht…

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