Im späten Sommer des Jahres 1994 – ich erinnere mich noch daran, als wäre es erst gestern gewesen – hat die Netscape Communication Corporation die Version 0.95beta ihres Browsers Mosaic Netscape zum kostenlosen Download auf ihren FTP-Server gestellt.
Dieser Browser hat insofern Maßstäbe gesetzt, als dass er das erste betont benutzerfreundliche Stück Software war, um sich durchs Web zu bewegen. Er hat einen Weg in das Web für »normale« Menschen eröffnet, hat dem Web einen Platz außerhalb des akademischen Umfeldes und außerhalb der für Außenstehende etwas kryptischen Gemeinschaften irgendwelcher Geeks gegeben.
Das war die Initialzündung für den Irrsinn, den wir alle bis heute erleben. Webbrowser wurden zur selbstverständlichen Software, und der Zugriff aufs Web ist für die meisten »normalen« Menschen (also nicht Fachleute und Autisten) synonym mit dem Zugriff aufs Internet geworden.
Es hat nicht lange gedauert. Im Jahre 1995 und – noch verstärkt – im Jahre 1996 hatte die CeBIT eine auffällige Präsenz des damals irre modern wirkenden Webs und es gab allerhand tolle (wie aus dem Tollhaus) Geschäftsideen, wie man mit diesem für alle Menschen geöffneten Web Geld machen kann. Die Mehrzahl davon ist inzwischen Geschichte, und einige haben zu erstaunlichen Erfolgsgeschichten geführt.
Inzwischen schreiben wir 2012. Das alles ist mehr als anderthalb Jahrzehnte her, also etwa drei Erdzeitalter der IT.
Die Verlegerbrut in der BRD – ich gebe mit diesem Schimpfwort nur einen Teil des Schimpfes und sprachlichen Unrats zurück, mit dem ich als Nutzer und Mitgestalter des deutschsprachigen Internet aus den so bezeichneten Kreisen bei jeder Gelegenheit überschüttet werde – hat es ebenfalls sehr schnell ins Web getrieben, versprach man sich davon doch eine preiswerte und profitable Zweitverwertung der Inhalte, die man eh schon erstellt, um sie auf Cellulose zu stempeln. Niemand hat diese Leute ins Web gebeten, sie haben einfach nur eine Möglichkeit gesehen, dort ihren Reibach zu machen. (Was ich ihnen übrigens nicht verüble.)
Und nun schaut es so aus, dass es der Verlegerbrut in der BRD trotz guter Ausgangslage (eingeführte Marken, die an einen festen Leserstamm gebunden sind und über gute Reputation verfügten) in über anderhalb Jahrzehnten nicht gelungen ist, ein Modell zu entwickeln, das den herbeiphantaiserten Reibach durch Webauftritte in die Kassen spült.
Da würde sich doch jeder fragen, ob dieser Reibach nicht eine Illusion war und ob man nicht besser damit aufhört, Geschäftsideen zu verfolgen, mit denen nichts zu holen ist, um sich ergiebigeren Ideen zuzuwenden.
Nicht so die Verlegerbrut in der BRD. Die findet keine ergiebigeren Ideen und macht in den Dunkelkammern des Deutschen Reichstages versteckte, intransparente Lobbyarbeit, um ihr Lex Baumbestempler, ihr so genanntes »Leistungsschutzrecht« zu bekommen. Dass sie nicht mit dem Urheberrecht zufrieden sind, sondern eine möglichst unmittelbare Geldquelle zum Abzapfen aus dem Internet haben wollen, sagt ja eigentlich schon alles – zum Beispiel, dass man auf Seiten der Verlegerbrut in der BRD genau weiß, dass den aus Elendsschreiberei und Agenturmeldungen zusammengeklöppelten Elaboraten jene Schöpfungshöhe fehlt, die für den urheberrechtlichen Schutz eines Werkes nun einmal erforderlich ist.
Und jetzt vertritt Google – ein Laden, von dem ich nicht viel Gutes sagen kann – ganz öffentlich als Betroffener dieses Unsinnsrechts seine Interessen, und der Verlegerbrut in der BRD fällt nichts anderes ein, als von »Propaganda« zu sprechen.
Wenn die »Qualität« der journalistischen Produkte genau so gut ist wie die Intelligenz in diesem Vorgehen, dann kann ich auf diesen »Qualitätsjournalismus« wirklich gut verzichten.