Hey, Google,
mit einem gewissen Missfallen habe ich mitbekommen, dass du deinen Nachrichtenaggregator »Google News« neu gestaltet hast.
Dass dabei einige von mir zuvor gemachte Einstellungen (zum Beispiel das Ausblenden von Sport- und Unterhaltungsmeldungen) einfach nicht übernommen wurden, hat bei mir das erste schwere Unverständnis ausgelöst. Dass es in deiner »verbesserten« Version gar nicht mehr möglich war, diese für die schnelle und störungsfreie Nachrichtenaufnahme praktischen Einstellungen machen zu können, hat dann aber das Problem hinreichend erklärt. Es war gar kein Problem. Es war deine neue Funktionalität, mit der du mich beglücken wolltest. Deine Weniger-Funktionalität. Du bist schließlich Google, du weißt genau was ich wirklich will und brauche. Irgendeine Autonomie gehört nicht dazu.
Dass sich deine neue Website beim Scrollen mit dem Mausrad anfühlt, als würde das Fenster irgendwo festklemmen, hat da bei mir nur den Eindruck verstärkt, dass du »Google News« einfach für mich unbenutzbar machen wolltest.
Aber schließlich habe ich mir einen Ruck gegeben und mir dein neues »Google News« noch einmal gründlich angeschaut, um etwas zu finden, was sich verbessert hat oder doch wenigstens neu geworden ist. Und in der Tat, Google, du hast auch eine neue Funktion eingebaut. Und zwar zeigst du mir Nachrichten »für mich« an, die mir von dir »nach meinen Interessen empfohlen werden«. Du »kennst« ja meine Interessen. Das ist ein ganz großes Kino der Künstlichen Intelligenz geworden. Deine Nachrichtenauswahl für »meine Interessen« sieht nämlich so aus:
Ich merke zu dieser von dir, Google, vorgenommenen Zusammenstellung vierer für mich völlig uninteressanter Meldungen folgendes an:
- Ich habe keinerlei Interesse an der legalisierten Quacksalberei des Heilpraktikerwesens. Dass Schilddrüsenunterfunktion zu starken depressiven Verstimmungen führen kann, ist mir allerdings schon seit über einem Jahrzehnt bekannt, so dass mir in der »News« die Neuigkeit fehlt.
- Die Meldung eines Flugzeugabsturzes gehört in das Ressort »International«, wo sie tatsächlich auch noch einmal, ganz prominent an allererster Stelle, auftaucht. Was an dieser Meldung »für mich persönlich interessant« sein soll, kann ich beim besten Willen nicht einmal erahnen. Ich habe keine Beziehung zu Kuba, und übrigens auch keine Beziehung zu Boeing. Ich habe nicht einmal vor, in meinem Leben ein Flugzeug zu benutzen, weil ich diese Form der Fortbewegung dreckig, energievergeudend und asozial finde. Die Wiederholung dieser Meldung unter »für meine Interessen« ist absurd.
- Mein Interesse an der exklusiven Inzuchtclique des europäischen Hochadels ist schlicht nicht vorhanden. Ich beneide die Franzosen, die ihr Adelsproblem zum größten Teil mit dem »französischen Rasiermesser« gelöst haben und finde es bedauerlich, dass dieser kulturelle Impuls innerhalb Europas so wenig revolutionsfreudige Nachahmung fand.
- Wie ich weiter oben schon erwähnte, habe ich in der vorherigen Version von »Google News«, wo man das noch konnte, Sportmeldungen gezielt abgewählt. Wenn es aber eine Sportart gibt, für die ich ein noch ausgeprägteres Desinteresse als eh schon habe, dann ist dies Fußball, den ich wegen seiner unerfreulichen Wirkung auf die Psyche meiner werten Mitmenschen meist liebevoll als »Brüllball« bezeichne. Verglichen mit einer Fußballmeldung finde ich sogar die Lottozahlen interessanter. Obwohl ich niemals Lotto spiele. Um das herauszubekommen, hättet ihr nur die Datenbank eurer vorherigen Version von »Google News« auswerten müssen.
Moment, Google, was war eigentlich noch mal dein Geschäftsmodell?
Ah ja, richtig, Google: Dein Geschäftsmodell war es, mit viel Datensammlung und einer Menge Rechenaufwand und hokus pokus künstlicher Intelligenz »Targeted Advertising« anzubieten, also den Werbekunden zu verkaufen, dass du die Interessen und Bedürfnisse deiner Nutzer durch ständiges Tracking so richtig gut einschätzen kannst und deshalb zielgruppensicher Werbebanner schalten kannst.
Wie gut du die Interessen und Bedürfnisse deiner Nutzer einschätzen und darauf reagieren kannst, habe ich eben selbst erlebt.
Schade finde ich nur, dass immer noch Unternehmen darauf reinfallen und dich für dieses offenbar haltlose Versprechen bezahlen.
Aber vielleicht hört das ja bald auf. Denn zum Verbrennen ist das Geld ja doch zu schade.
Dein deine Beglückungsideen genießender
Elias
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