Werte Hamburger Dunkelkammer,
ich gebe es offen zu. Im ersten Moment habe ich so etwas wenig druckreifes wie »Ach du Scheiße« gedacht, nur noch ein bisschen weniger druckreif.
Und dann habe ich noch einmal in aller Ruhe den Artikel auf Heise Online gelesen, und wurde immer entspannter und heiterer. Inzwischen habe ich das Bedürfnis, dir, werte Hamburger Dunkelkammer, für dein Urteil und die damit verbundene Erzeugung von Richterrecht zu danken. Allerdings geht es mir bei weitem nicht weit genug.
Das hat folgende Gründe:
- Das wichtigste und trotz seiner Unseriosität in vielen Fällen einzige Geschäftsmodell gewerblich betriebener Websites, die Gewinnerzielung durch Einbettung von Werbung aus obskuren Drittquellen (so genannte Werbenetzwerke), ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr rechtssicher möglich. Davon sind ausschließlich solche unseriösen Klitschen wie Facebook, Twitter und die diversen Pressewebsites (mit ihrer ständigen nervigen Aufforderung, den Werbeblocker abzuschalten) betroffen, um die es nicht weiter schade ist.
- Für Websites, die nichtgewerblich (und damit ein kostenerzeugendes Hobby ihrer oftmals um Spenden bettelnden Betreiber) sind, ändert sich gleichzeitig nichts. Die allermeisten exquisit nichtkommerziellen Instanzen aus dem Fediverse sind eben so wenig betroffen wie persönliche Homepages und Blogs aller Art. Gleichzeitig ist der Aufwand, eine gewerbliche Website rechtssicher zu unterhalten, monströs und in der Praxis untragbar geworden, außer, es wird generell auf jegliche Linksetzung auf externe Quellen verzichtet. (Der Inhalt einer verlinkten Site kann sich ja jederzeit verändern.) Die Vorstellung, das Web auf einen Zustand vor dem Beginn seiner totalen Kommerzialisierung zurückzuschalten, finde ich ausgesprochen erfreulich – allein fehlt mir der Glaube, dass das gelingen wird.
- Den kommenden, sich auf dein Urteil berufenden Forderungen irgendwelcher Rechteinhaber gegenüber Facebook, Twitter, LinkedIn und diversen anderen Unternehmungen ohne seriöses Geschäftsmodell blicke ich mit großer Heiterkeit entgegen; ebenso freut es mich, dass nach einer durchaus denkbaren Einstellung dieser Websites für Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland für ebendiese Menschen unmittelbar fühlbar wird; wie absurd die Idee des »Geistigen Eigentums« in Wirklichkeit ist. Das ist geeignet, eine längst überfällige politische Willens- und Unwillensbildung zu befördern, die hoffentlich binnen der kommenden fünf Jahre durch starken Druck auf den Gesetzgeber zu einer deutlichen Verbesserung der rechtlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland führen wird. (Eine Fair-Use-Klausel, wie sie in vielen Staaten üblich ist, wäre für hiesige Verhältnisse bereits ein riesiger Fortschritt.)
- Als Zyniker und satirisch tätiger und tätlicher Mensch freue ich mich auf deine zukünftigen Klärungen, wie es sich mit Abbildungen urheberrechtlich geschützter Werke verhält, vom Foto eines Kunstwerkes bis hin zum Screenshot von digitalen Werken, der zu Archiv- und Dokumentationszwecken angefertigt wird. Die kommenden, jede jesuitische Zwangsneurose noch übertreffenden Haarspaltereien werden zur Garantie für immer wieder auftretende, heftige Schmerzen in meinem Zwerchfell werden.
Kurz, werte Hamburger Dunkelkammer, dein mit so wenig Freude aufgenommener Beschluss vom 18. November mit dem Aktenzeichen 310 O 402/16 ist ein Gewinn für alle. Außer vielleicht für jene mit Gewinnerzielungsabsichten.
Aber leider geht er nicht weit genug. Mir hätte eine Ausweitung auf einen häufigen Fall eines anderen Rechtsbereiches sehr gefallen, die immer dann zu Haftungspflichten des gewerblichen Betreibers führt, wenn Websites mit Schadsoftware verlinkt werden oder wenn Schadsoftware aus einer Drittquelle eingebettet wird. Meiner Meinung nach ist das durchaus äquivalent anwendbar. Damit würde die Einbettung von Werbung aus Drittquellen nämlich zu einem so großen juristischen Risiko werden, dass diese trackende und Malware-verbreitende Pest des gegenwärtigen Webs schnell verschwände.
Ich hoffe, werte Hamburger Dunkelkammer, dass du demnächst darüber nachdenken musst. 😉
Dein deine Rechtsprechung genießender
Elias Schwerdtfeger