Ich bin ja Ubuntu gegenüber immer etwas gespalten. Ubuntu ist eine Linux-Distribution, die es erreicht hat, dass sich ausgesprochen nicht-technisch denkende Menschen ein Linux installieren und damit arbeiten – und dabei nach einer (auf zeitgemäßer und gewöhnlicher Hardware) meistens schmerzfreien Installation feststellen, dass man, so lange es ums eher gewöhnliche Arbeiten mit dem Computer geht, unter Linux nicht so viel vermisst. (Außer ein paar moderne Shooter zum gepflegten Frustabbau…)
Ich halte das für einen großen Erfolg, den man gar nicht genug würdigen kann. Menschen, die bislang nur die Softwareumgebung von Microsoft Windows kannten und mangels anderer Erfahrung der Reklame glauben mussten, dass diese Umgebung besonders einfach für Menschen ohne technische Kenntnisse zu bedienen sei, haben die Erfahrung gemacht, dass Betriebssysteme, die aus einer Kultur des freien gegenseitigen Beglückens enthüpften – und nichts anderes ist Freie Software – sehr nützlich und keineswegs schwierig zu bedienen sind. Die für Laien abschreckende Vorstellung einer mächtigen Kommandozeile, die mit kryptisch anmutenden Befehlen und abstrakten Konzepten (wie Pipes, Ausgabeumleitungen, Filterprogrammen) das Potential eines Computers zur Verfügung stellt, ist ihnen bei dieser Erfahrung nicht einmal entgegengetreten; sie haben einfach Anwendungen gestartet und das damit getan, was sie tun wollten. Eine Hilfe ist es dabei sicherlich, dass Software wie Firefox, OpenOffice (oder Libre Office), Gimp, Inkscape und Thunderbird vielen bereits aus ihrer Windows-Umgebung vertraut ist, so dass kein Aufwand durch weitere Einarbeitung entsteht.
Aber in letzter Zeit habe nicht nur ich ein wachsendes Unbehagen gegen die entstehende Ubuntu-Monokultur. Ein solches Unbehagen allein ist ja noch wenig Grund, sich mit Alternativen zu beschäftigen, wenn das System weiterhin gut läuft. Aber dass Ubuntu inzwischen seinen Standard-Desktop Unity mit einer Amazon-Adware »anreichert«, die wegen der Verbindung von lokaler Suche mit einer Amazon-Produktsuche auch Informationen über die persönliche Computernutzung (also lokale Datei- und Anwendungssuchen) an Amazon übermittelt und aus diesem Grund ein Datenschutzproblem geworden ist, das ist so ein sprichwörtlicher Tropfen, der nicht nur für mich das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Gegen die Krankheit des Unity-Desktops konnte man sich noch bequem behelfen, indem man einen Xfce-Desktop installierte, aber mit einem Unternehmen, das Menschen mit ihrem Bedürfnis nach Privatsphäre so offen für dreißig Silberlinge an die Wirtschaft verkauft, möchte niemand mehr etwas zu tun haben, der noch ein Gefühl für die eigene Würde hat.
Gut, dass es Alternativen gibt. Gut, dass es sehr viele Alternativen gibt. Niemand muss so eine Verachtung hinnehmen.
Die großen Alternativen sind sicherlich jedem vom Hörensagen bekannt. Es gibt das großartige Debian (dessen bewährtes System die Grundlage für Ubuntu geworden ist), es gibt Open SuSE, es gibt Linux Mint, es gibt Slackware, es gibt Red Hat.
Wer von Ubuntu umsteigt, wird bei Debian viel Vertrautes wiederfinden, aber auch eine gewisse Rauigkeit feststellen, die zunächst etwas ungewohnt ist. Debian ist eine sehr robuste Linux-Umgebung, mit der auch gern Server aufgesetzt werden, aber Debian richtet sich an Menschen, die sich nicht bevormunden lassen wollen und sich bei (seltenen) Problemen insoweit zu helfen wissen, dass sie eine Web-Suchmaschine und einen Editor bedienen können. Dafür ist Debian sehr durchschaubar und damit sehr gut an besondere Wünsche anzupassen, wenn man Linux ein bisschen kennt. Für normale Anwendungen (Textverarbeitung, Mail, Web, Chat, Bildbearbeitung, etc.) gilt aber: Nach einer (im Regelfall) problemlosen Installation ist Debian sofort benutzbar und tritt seinem Anwender…
…mit einem betont freundlichen Gnome-2-Desktop gegenüber. Die Debian-Community hat übrigens beschlossen, in zukünftigen Versionen nicht Gnome 3 als Standarddesktop zu verwenden, sondern Xfce – so dass die Debian-Nutzer auch in Zukunft einen Computer so bedienen können, wie sie es gewohnt sind und nicht neue und noch recht unreife Metaphern erlernen müssen. Für den Xfce wird es vermutlich ein sehr großer Schub werden, wenn er von einer großen Distribution als Standard installiert wird, da zu erwarten ist, dass die Debian-Gemeinschaft viel Arbeit in diesen jetzt schon sehr brauchbaren Desktop stecken wird.
Ein Ubuntu-Umsteiger, der zu Linux Mint wechselt, fühlt sich sofort zuhause. Nur der unsägliche Unity-Desktop…
…ist durch den MATE Desktop ersetzt, einem durchaus gelungenen Versuch, die besten Konzepte des großartigen Gnome 2 zu erhalten. Das ist genau das Richtige für alle, die keine Lust haben, auf die vertrauten Konzepte einer Arbeitsfläche, eines Startmenüs und der durch Einbettung kleiner Anwendungen erweiterbaren Leisten zu verzichten. Von daher könnte Linux Mint eine sehr gute Alternative für alle sein, die sich ein durchschaubares Linux wünschen.
Open SuSE, Slackware und Red Hat treten hingegen einem Ubuntu-Umsteiger als sehr andere Welten entgegen.
Kleinere Distributionen
Ich habe mir mal, weil ich darum gebeten wurde, den »Spaß« gegönnt, einen Blick auf mehrere »kleine« Linux-Distributionen zu werfen, um zu schauen, ob diese eine gute Alternative darstellen. Diese Suche war überwiegend »politisch« motiviert. Deshalb habe ich mir besonders Distributionen angeschaut, die – im Gegensatz zu den großen und allgemein bekannten Distributionen – ausschließlich aus Freier Software bestehen, bei denen also zu erwarten ist, dass das Gesamtsystem auf absehbare Zeit nicht durch sonderbare Geschäftsideen und garstige Überrumpelungen der Anwender kompromittiert werden wird:
Können Nutzer nicht das Programm kontrollieren, kontrolliert das Programm die Nutzer. Der Entwickler kontrolliert das Programm und dadurch die Nutzer. Dieses unfreie oder proprietäre Programm ist deshalb ein Instrument ungerechter Macht.
Freie Software ist eine Frage der Freiheit, nicht des Preises. Um das Konzept von frei zu verstehen, sollte an Redefreiheit gedacht werden ‑ nicht an Freibier.
Ausführliche Tests habe ich (noch) nicht vorgenommen, nur einen ersten Blick auf die Installation und das installierte System geworfen. In vielen Fällen erfordert der hier angelegte Freiheitsbegriff, dass Alternativen zu verbreiteter Software verwendet werden – zum Beispiel kam keine dieser nur aus Freier Software bestehenden Distributionen mit einem originären Firefox als Browser, und für viele Menschen wichtige Plugins wie Flash wurden nicht mitinstalliert. Als Mailclient wurde meist Evolution verwendet, als IRC-Client XChat, als Microblogging-Client Gwibber – alles sehr brauchbare freie Alternativen. Dass niemals ein Acrobat dabei ist, betrachte ich sogar als Vorzug… 😉
Ich hoffe, dass die folgenden Beobachtungen Menschen dabei helfen, schon einmal eine Vorauswahl zu treffen, welche kleine Distribution sie sich anschauen wollen.
gNewSense
Getestete Version 2.3, 32 Bit ➡ Homepage
Der Download des ISO-Images erwies sich als erste kleine Hürde. Ein Klick auf den Download-Link in der deutschsprachigen Homepage führte auf eine Wiki-Fehlermeldung, dass die Seite noch nicht existiere. Allein das dürfte viele Menschen schon etwas abschrecken. Aber mir war ja klar, dass ich hier nicht auf den Seiten großer Gemeinschaften mit vielen Mitwirkenden bin, und deshalb habe ich einfach die auf der englischen Seite verlinkte Download-Möglichkeit genommen.
Weil sich der angebotene HTTP-Download doch ein bisschen hinzog, habe ich es nach einigen Minuten mit dem Torrent versucht – nur, um festzustellen, dass dieser noch länger dauerte. Ärgerlicherweise gibt es gNewSense nur in 32-Bit-Versionen, was ich unbefriedigend finde.
Die Installation des Systemes ist sehr Debian. Wer schon einmal ein Debian installiert hat, wird sich also sofort zu Hause fühlen. Nacheinander werden in graphischen Dialogen die üblichen Fragen zur Sprache, zur Zeitzone (natürlich nach Angabe der Sprache »Deutsch« sinnvoll vorbelegt), zum Rechnernamen, zur Partitionierung (kann man automatisch vornehmen lassen) und zum Benutzerkonto beantwortet, und anschließend wird das gesamte System relativ flott und ohne nervigem Firlefanz während dieses Vorganges installiert. Diesen Vorgang kann man aus dem Live-System heraus starten…
…so dass man sich in aller Ruhe anschauen kann, wie das System aussehen wird, während es einem auf die Festplatte gespielt wird. Damit ein besserer Eindruck entsteht, gibt es einige Beispieldateien: Eine Präsentation, ein Textdokument, ein reiner Text, ein PDF, eine kleine OGG-Audiodatei, eine Arbeitsmappe für die Tabellenkalkulation und einige Grafiken. Natürlich steht auch ein Browser zur Verfügung, und der Zugriff aufs Netzwerk gelang ohne Probleme. Als Desktop wird ein Gnome 2.22.1 verwendet.
Abgesehen von der englischen Sprache des Live-Systems, die sich leider nicht anpassen ließ, entstand der durchaus runde Eindruck eines schlanken, schnellen Arbeitssystemes, das leicht installierbar ist und sich auch gut für betagtere Hardware eignen würde.
Leider wurde dieser Eindruck ein wenig getrübt, als ich das installierte System (dann natürlich mit deutscher Sprachunterstützung) startete und dabei schon auf dem ersten Blick feststellen musste, dass die deutsche Übersetzung sehr lückenhaft ist. Für Menschen mit geringen Englischkenntnissen ist dieses System nicht gut brauchbar. Das fängt übrigens schon beim Login-Bildschirm an, damit es mögliche Nutzer auch sofort bemerken:
Einen längeren Absatz darüber, was ich von so viel graphischer Verspieltheit für einen Bildschirm, den man im Regelfall nur für ein paar Sekunden sieht, halte, wenn gleichzeitig solche Grundfunktionen wie die Sprachanpassung nicht gegeben sind, erspare ich mir mal. 😀
Die meisten Menschen werden ja auch noch verstehen können, was mit »Username« und »Password« gemeint sein könnte. Die durchgehend nur halbfertige Übersetzung des gesamten Systems ist da viel ärgerlicher. Während das Startmenü vollständig deutsch ist, treten einem viele Anwendungen des Gnome-Desktops in Englisch gegenüber:
Das ist erstaunlich, weil das Gnome-Projekt zu Zeiten von Gnome 2.2 eine gute und beinahe vollständige Lokalisierung für die deutsche Sprache fertig hatte. Es handelt sich also um eine Schlampigkeit der Distribution, und zwar um eine, die für Menschen, die des Englischen nicht so mächtig sind, eine erhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit bedeuten kann.
Ärgerlicherweise wird auch die Videohardware nicht gut erkannt und das System stellte nach der Installation nur eine maximale Auflösung von 800×600 Pixel zur Verfügung. Ich wüsste zwar, wie ich mir bei einem »debianoiden« System zu helfen hätte, wenn solche Probleme auftreten, aber unerfahrene Nutzer stellt diese Hürde der »Frickeligkeit« eine erhebliche Schwierigkeit dar. Auch die Audiohardware wird – im Gegensatz zu einer Debian-Installation auf gleicher Hardware – nicht automatisch erkannt, so dass auch hier die Art von Handarbeit nötig wird, die für viele Menschen eher ein Ausschlusskriterium ist.
Das größte Problem mit gNewSense zeigt sich allerdings, wenn man sein System nach der Installation auf neuesten Stand bringen möchte. Das Einspielen der Aktualisierungen über den Gnome-Update-Manager funktioniert zwar reibungslos, aber der als Paketquelle für Europa eingetragene Server ist eine unfassbar lahme Krücke. In den besten Momenten gelang der Download mit 80 KiB/s, meistens war er deutlich langsamer. Aus einem einfachen Update wird so eine stundenlange Angelegenheit.
Nun, ich habe genug gesehen, um mir ein Urteil zu erlauben:
Fazit
gNewSense liefert ein schönes, schlankes und sehr performantes System, das vermutlich auch auf älterer Hardware sehr gut laufen wird. Leider ist das installierte System zurzeit für reine Anwender kaum brauchbar. Die unvollständige Übersetzung schafft Nutzungshürden, die nicht erkannte Hardware erfordert Nacharbeit, die Paketserver für den Update machen den alltäglichen Anwendungsfall, sein System auf dem neuesten Stand zu halten, zu einer Qual. Wer selbst »frickeln« kann und will, ist mit einem gut an die eigenen Bedürfnisse angepassten Debian GNU/Linux besser bedient und findet in der ungleich größeren Nutzergemeinschaft wohl auch mehr kompetente und nützliche Hilfe.
Auf mich wirken diese Einschränkungen wie Kinderkrankheiten in einem durchaus interessanten Konzept: Mal schauen, wie schlank man ein voll arbeitsfähiges System bekommen kann. Computer sind zu schade zum Wegwerfen, und wer ein… sagen wir mal… zehn Jahre altes Gerät herumstehen hat, könnte eine derartige Distribution sehr nützlich finden, wenn sie diese Kinderkrankheiten erst einmal verloren hat. Es lohnt sich also für einen gewissen Kreis von Menschen, die Entwicklung von gNewSense im Auge zu behalten.
Ututo
Getestete Version: XS2012.04 64 Bit ➡ Homepage (nur in spanischer Sprache verfügbar).
Als ich mir kleine Distributionen mit ausschließlich freier Software aussuchte, saß neben mir ein Peruano, der mir vor einer Distribution erzählte, von der ich noch nie gehört hatte: Ututo. Er erzählte mir, dass sehr viele Menschen in Südamerika, vor allem Menschen aus »politischen« Gruppen, genau diese Distribution benutzen. Das war Grund genug für mich, dass ich auch einen Blick darauf werfe.
Beim Besuch der Website bekam ich dann auch gleich meinen Kulturschock, denn die Website des »Proyecto UTUTO« gibt es nur auf spanisch. Tja, warum sollte jemand, der schon eine Weltsprache spricht, auch noch englisch lernen. Obwohl ich kein Wort spanisch spreche oder verstehe, konnte ich mich mit einer Mischung aus Restlatein und Fragmentfranzösisch ganz gut zum Download der DVD-Images »vorkämpfen«. Aber der Download… ich habe lange nicht mehr so einen langsamen Datentransfer erlebt. Es zog sich über viele Stunden hin, in denen ich jedes Bit einzeln mit Handschlag zu begrüßen können glaubte. Leider habe ich auch mit den üblichen Suchmaschinen (Isohunt und Pirate Bay) keine Torrents der aktuellen Ututo-Version gefunden, die den Vorgang vielleicht beschleunigt hätten. Vielleicht ist ja jemand, der gern Freie Software fördern möchte, demnächst so nett, Torrents zu seeden…
Zunächst ist mir gar nicht gelungen, Ututo zu installieren. Der Bootvorgang ist erschreckend langsam beim Laden der Kernel-Module und beim Zusammensetzen eines Dateisystems von der Live-DVD (und sieht dabei sehr nach Gentoo aus)…
…so dass ich erst nach etwa fünfzehn Minuten die ersten informativen Meldungen eines richtigen Fortschrittes sah.
Nach ungefähr einer Stunde hing der Prozess scheinbar fest und erfreute mich…
…mit einem Hinweis in spanischer Sprache, dass das Verschieben einer Datei auf ein Read-Only-Dateisystem gescheitert sei. Ach! Ich habe ihm noch einmal eine Stunde gegeben, und dann habe ich aufgegeben. Es gab keine erkennbare Aktivität der Festplatte, und nur gelegentlich zeigte mir etwas Netzwerkverkehr, dass da wohl doch noch irgendetwas läuft. Was das ist, hat mir leider niemand in einer freundlichen spanischen Meldung aufgeschlüsselt, so dass ich es auch nicht sagen kann.
Angesichts des Hinweises, dass es bei Ututo sich um eine in Lateinamerika durchaus beliebte Linux-Distribution handelt, habe ich dem System noch einen zweiten Versuch (diesmal allerdings mit einem GiB RAM gegeben. Und tatsächlich, der zweite Start war erfolgreicher als der erste, so dass ich nach einer erstaunlich langen Wartezeit in einem merkwürdig konfigurierten KDE auf Spanisch und Englisch willkommen geheißen wurde:
Natürlich habe ich die GNU-Lizenz akzeptiert. 😉
Darauf folgte eine Phase mit vielen Zugriffen auf die Live-DVD, bei der mir nach und nach in beeindruckend gemächlichem Tempo eine Oberfläche aufgebaut wurde, die nicht einen Moment lang versteckte, dass ihr Vorbild bei MacOS liegt:
Hübsch, hübsch, sagte ich mir, aber wie installiere ich das jetzt? Die allgemein verwendete spanische Sprache hat es mir auch nicht gerade einfacher gemacht, an dieser Stelle weiterzukommen, und der freundliche Peruano war schon längst weg. Die nervtötende Langsamkeit des System tat ein Übriges. Aber immerhin, dafür wurden mir jede Menge lustiger Effekte an allen möglichen und unmöglichen Stellen gezeigt – wie schon gesagt, das Vorbild MacOS wird nicht verborgen. Allerdings fühlt sich MacOS dabei recht flott an, und Ututo von einer Live-DVD… ähm… eher nicht so.
Am Versuch einer Installation bin ich gescheitert, wegen der Mischung aus einer großen Behäbigkeit des Systems, meiner ungenügenden Fähigkeit, spanisch zu dechiffrieren und meiner wachsenden Unlust, diesen sinnlosen Versuch fortzusetzen.
Fazit
Ich will gar nicht ausschließen, dass Ututo »etwas taugt« – vor allem für jemanden, der zeitgemäße Hardware hat, sich nicht an der sehr an MacOS angelehnten Bedienung stört und… ähm… Geduld hat. Ich habe diese Geduld nicht. Es handelt sich nicht einmal ansatzweise um das, wonach ich gesucht habe: Ein schlankes Linux, das eine gute Alternative zu Ubuntus entnervenden und die Privatsphäre verachtenden Beglückungsideen ist.
Trisquel
Getestete Version: Trisquel 5.5, 64 Bit ➡ Homepage
Oh, es geht auch anders. Ein Torrent, der einigermaßen schnell übertragen ist. Ein Livesystem, das man bootet und das einen einfach großartigen Eindruck macht. Ein Icon auf dem Desktop des Livesystems, das die Installation startet. Und eine Installation, die mir (und vermutlich nicht nur mir) sehr vertraut vorkommt. Ja, die gesamte Installation fühlt sich wie Ubuntu an, und sie läuft genau so ab, es gibt nur andere Bespaßungstexte während der leicht verlängerten Viertelstunde, in der die ganzen Pakete aufgespielt werden. Dann der übliche Reboot, um das installierte System zu starten.
Und dann sieht man ein paar Sekunden lang einen animierten Bootscreen, und danach öffnet sich ein Desktop, der aussieht…
…wie Ubuntu in gut. 😀
Ja, das ist ein Gnome 3. Und zwar ein sehr gut konfigurierter, und das auch noch so, dass ich ihn ästhetisch ansprechend finde. Dazu gibt es gleich eine angemessene Auflösung, und der Sound funktioniert auch ohne weiteren Konfigurationsbedarf.
Installiert wird – wie bei den anderen kurz angetesteten Distributionen – ausschließlich Freie Software. Der Webbrowser trägt zum Beispiel den schönen schlichten Namen Abrowser, so dass ich mir richtig den Dialog vorstellen kann: »Wie nenne ich denn jetzt den angepassten Firefox, aus dem alles irgendwie Unfreie rausgezogen wurde?« – »Nenn ihn doch einfach ›einen Browser‹!«
Bei der Auswahl der freien Schriftarten für das System wurde ebenfalls mit einem bemerkenswerten Sinn fürs Schöne vorgegangen, so dass auch (gute) Designs, die sonst exzessiven Gebrauch von Microsofts großartigen Fonts machen, noch sehr hübsch anzuschauen sind.
Aber es ist nicht nur hübsch, es ist auch alles sehr performant.
Kurzum: Ich wäre fast vollständig begeistert, wenn da nicht diese hässliche Kleinigkeit wäre.
Nach der Installation wollte ich natürlich auch die Robustheit des Update-Mechanismus prüfen und bekam die Meldung, dass auf der Festplatte zu wenig Platz frei wäre. Dieses Problem liegt an der automatischen Partitionierung, die ich einfach deshalb genommen habe, weil während der Installation auch jeder normale Anwender auf »Automatisch machen, weiter« klickt und sich darauf verlässt, dass dabei eine gute Wahl getroffen wird.
Das wurde sie aber nicht. Es wird eine Partition für /
, also das Wurzeldateisystem, angelegt und eine weitere für /home
, also das Verzeichnis zur Aufnahme für die Benutzerverzeichnisse. Und das Wurzelverzeichnis wurde dabei bei meiner Testinstallation so eng dimensioniert, dass nicht einmal der Platz zur Herunterladen der Paketdateien für einen ordentlich ausgeführten Update zur Verfügung stand. Dieses zurzeit bestehende Problem trübt den ansonsten tadellosen Eindruck von einer sehr brauchbaren und anwenderfreundlichen Linux-Distribution, die sogar das Zeug zum Ubuntu-Killer haben könnte, wenn Canonical weiterhin seine Nutzer mit sturdoofen Beglückungsideen und hinterhältig installierter Adware nervt.
Fazit
Wenn man damit leben kann, dass die automatische Partitionierung zumindest in manchen Situationen schlechte Entscheidungen trifft, ist Trisquel eine sehr gute Distribution, die auf einigermaßen zeitgemäßer Hardware auffallend performant läuft.
Wer selbst einen Versuch damit machen möchte, sollte also besser von Hand partitionieren. Das geht genau wie bei Ubuntu, so dass es leicht ist, dafür gute Anleitungen zu finden. Ich gehe davon aus, dass spätere Trisquel-Versionen bessere Entscheidungen bei der automatischen Partitionierung treffen werden.
Trisquel ist im Moment sehr »ubutoid«. Das muss nicht für jeden ein Nachteil sein, aber zumindest ich durfte immer wieder die Erfahrung machen, dass man wenig Freude mit Ubuntu hat, wenn es doch einmal Probleme gibt. Denn Ubuntu ist unter seiner bunten Haube ganz schön… ähm… verbastelt und oft undurchschaubar.
So viel kann ich aber auf jeden Fall sagen: Trisquel ist das beste Ubuntu, das man im Moment herunterladen kann.
Wird vielleicht in ein paar Wochen fortgesetzt… 😉
»Das beste Ubuntu« klingt ja schon nach Oxymoron.
»Kleine« Distributionen, die ich anregungshalber interessant finde: Crunchbang (Debian-basiert) bzw. sein Arch-Linux-Bruder Archbang; Bodhi Linux (wegen des e17-Desktopdings, das, wenn man nur ETWAS Zeit investieren mag, angeblich leidlich gut aussehen kann); Chakra GNU/Linux.
Ich hätte besser vom bestesten Ubuntu geschrieben. 😉
Das beste Ubuntu ist ja gar kein Ubuntu, finde ich.
Apropos: Warum nicht mal PC-BSD erwähnen? 😉
Hui, so wie der Torrent flutscht, scheinen ja doch ein paar Leute PC-BSD zu verwenden. 😉
Ja. Aus gutem Grund, nehme ich an. 😉
Wobei BSDStats.org da trügt: PC-BSD ist die einzige FreeBSD-Distribution, die das Statistiktool automatisch mitstartet, so weit ich weiß.
Pingback: Nachtwächter-Blah » Suchbegriff des Tages: ubuntu nervt – hey, Such…