Ich habe mir eben einmal den »Spaß« erlaubt, in meiner Testinstallation WordPress von 2.8.x auf 2.9 upzugraden. Verwendet habe ich für den Upgrade die deutsche Version. Das klappte – ich mache grundsätzlich einen Upload zum Server und verlasse mich nicht darauf, dass WordPress irgendetwas automatisch macht – völlig reibungslos und benötigte nur einen Klick.
Da wollte ich mir doch gleich mal das neue Feature mit der integrierten Bildbearbeitung anschauen und lud ein kleines Fraktal zum Server hoch. Oder besser gesagt, ich versuchte es erstmal über den Flash-Upload, aber der gab mir nur eine knappe Meldung…
…dass bei diesem Vorgang ein HTTP-Fehler aufgetreten ist. Mein Browser ist ein Iceweasel 3.0.14, das entspricht vollkommen der Firefox-Version mit der gleichen Versionsnummer. Mein Flash ist Version 10.0 r32 für Linux 368, also nicht gerade hoffnungslos veraltet. 😉 Es handelte sich übrigens um den ersten Bildupload in die Testinstallation, aber ich hatte bei den richtigen Blogs unter WordPress 2.8.x mit dem gleichen Browser und der gleichen Flash-Version keine Probleme, so dass dieses Problem neu zu sein schien. Der Upload über den Browser-Uploader funktionierte problemlos. Ich vermutete zunächst, dass das Problem beim ersten Bildupload auftritt und dass das nur niemand getestet hat, aber das erwies sich als falsche Annahme. Denn auch der Upload eines zweiten Bildes, nachdem ich das erste Bild über den klassischen Uploader hochgeladen hatte, scheiterte.
Ich kam dann aber doch noch auf die Lösung für dieses Problem. Natürlich ist meine Testinstallation über eine .htaccess
mit einem Passwort gegen Zugriffe abgesichert, und der Flash-Upload kommt damit nicht klar. Nachdem ich die .htaccess
temporär umbenannt hatte, konnte ich auch den Flash-Upload benutzen. Es ist also nicht möglich, den Flash-Upload zu benutzen, wenn der Administrationsbereich von WordPress zur zusätzlichen Sicherheit mit einem Passwort geschützt wurde, was angesichts der bisherigen Sicherheitsgeschichte durchaus empfehlenswert ist.
Nach dem Upload gelangt man auch an die erste echte Neuerung von WordPress 2.9, der Möglichkeit…
…das hochgeladene Bild zu bearbeiten. Ein Klick auf die Schaltfläche »Bild bearbeiten« öffnet eine kleine Anwendung, mit der das Bild skaliert werden kann (wobei das Seitenverhältnis automatisch beibehalten wird), ein Bildausschnitt gewählt werden kann oder das Bild horizontal oder vertikal gespiegelt werden kann.
Ärgerlicherweise kann das Bild aber nicht um 90 Grad nach links oder rechts gedreht werden, so dass für eine Aufnahme im Hochformat nach wie vor vorm Upload eine kleine Bearbeitung vorgenommen werden muss, wenn die Kamera nicht so modern ist, dass sie dieses Problem selbstständig löst. Damit wurde ausgerechnet die Bearbeitungsmöglichkeit vergessen, für die wohl am häufigsten ein Bedarf besteht. Als ob nicht jeder Blogger, der regelmäßig Fotos bloggt, über eine bequeme Möglichkeit zur Bildbearbeitung verfügt. Ebenfalls fehlen jegliche Möglichkeiten, noch ein bisschen am Kontrast oder an der Helligkeit zu regeln. Das groß angekündigte Feature ist also alles andere als ein brauchbarer Ersatz für ein gutes Desktop-Programm zur elementaren Fotobearbeitung.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Benutzerführung beim Zuschneiden eines Bildes. Das Icon ist zunächst gesperrt, um das Bild zuzuschneiden, muss zunächst mit der Maus ein Bildbereich ausgewählt werden. Dann kann das Bild durch einen Klick auf das Icon zugeschnitten werden. Und um das Bild zu skalieren, muss auf den Link »Bild skalieren« geklickt werden, damit ein Eingabefeld für die gewünschte Bildgröße eingeblendet wird. Hier sind zwei Bearbeitungsfunktionen, die wohl in der Praxis sehr viel häufiger als das Spiegeln eines Bildes angewendet worden, in der Benutzerführung eher ein bisschen versteckt worden. Ob das wirklich jenen Anfängern entgegenkommt, die so wenig Erfahrung haben, dass sie keine bessere Möglichkeit zur Bildbearbeitung kennen? Ich habe da so meine Zweifel. Es ist einfach nur ein weiteres Feature, das den Codeumfang aufbläht und kaum brauchbar ist.
Bleibt nur zu hoffen, dass nicht demnächst jemand auf die Idee kommt, die Funktionen eines kompletten Photoshop in WordPress nachzubilden – zuzutrauen wäre es den WordPress-Entwicklern.
Auch die anderen Neuerungen lösen bei mir vor allem Unverständnis oder gar Unbehagen aus.
Zum Beispiel werden Kommentare oder Postings jetzt nicht mehr sofort gelöscht, sondern zunächst in den Papierkorb verschoben, was eine Annäherung an die typischen Desktop-Umgebungen ist. Das endgültige Löschen erfordert nun einen Schritt mehr, denn der Papierkorb muss noch geleert werden. Immerhin, das Feature hat bei meinem Test auf Anhieb funktioniert. Ein endgültiges Löschen mit vorheriger Sicherheitsabfrage hätte ich jedoch erfreulicher gefunden.
Die Artikelbilder erfordern ein Theme, das dieses Feature unterstützt, und die meisten derzeit verfügbaren Themes sind noch nicht darauf vorbereitet. Angekündigt wird dieses Feature mit Worten…
Jede gute Nachrichtenseite fügt zur Veranschaulichung ein Bild zu jedem Artikel hinzu. In WordPress war dies bisher nur mit einer Pluginlösung oder den benutzerdefinierten Feldern möglich.
…die allen Ernstes so tun, als habe eine chronologisch geordnete, persönliche Website irgendeine Gemeinsamkeit mit einer »guten Nachrichtenseite«. Nun, wer solche Ansprüche an sein Blog hat, wird in jedem Fall eine Menge Plugins verbauen. Deshalb hätte auch dieses Feature nicht in den Kern, sondern in ein Plugin gehört – und solche Plugins können ruhig zusammen mit dem Kernsystem ausgeliefert werden, es sollte aber niemand gezwungen sein, den zusätzlichen Code auch zu benutzen. Denn WordPress kommt wahrlich mit genug Bloat daher. Und die einfache Frage, was die Anwender sich wünschen, stellt sich unter den WordPress-Entwicklern scheinbar niemand mehr, der besessen von seinen Ideen für neue Features und seinen feuchten Träumen von der Weltherrschaft durch PHP-Skripten ist. Wer ein CMS haben möchte, wird dafür auch in Zukunft ein CMS wählen, und wer einfach nur bloggen möchte, muss in den gegenwärtigen WordPress-Konzepten schon eine gehörige Hürde überspringen. Dabei sollte das Bloggen doch einmal ganz einfach sein… 🙁
Unverändert geblieben ist übrigens die enorme Zähflüssigkeit des gesamten WordPress-Dashboards. Das, was das Bloggen eigentlich ausmacht, nämlich das schlichte Verfassen eines neuen Posts, geht immer noch mit einer beachtlichen Initialisierungszeit des Post-Editors einher, und immer noch wird der Blogger mit diversen Einstellmöglichkeiten für den Beitrag erschlagen – ich kenne persönlich Menschen, die vom gegenwärtigen WordPress eher eingeschüchtert sind, und auch ich wünsche mir oft die einfache, klar strukturierte und durchschaubare Benutzerführung der Versionen 2.0 bis 2.3 zurück. Immerhin muss jemand, der sich an WordPress 2.8 gewöhnt hat, für die neue Version nicht umlernen. Übrigens fühlt der WYSIWYG-Editor für einen neuen Beitrag jetzt um einiges zähflüssiger an als in WordPress 2.8, und bei meinem normalen Tipptempo hängt die Darstellung auf dem Bildschirm oft um zwei Zeilen hinterher. Von der angeblichen Optimierung der Geschwindigkeit ist gar nichts zu bemerken, aber vielleicht kommt es ja manchem schon flotter vor, wenn von einer solchen Optimierung gesprochen wird.
Aber ich schweife ab, denn es gibt auch noch tolle neue Features, die mit großen Worten angekündigt werden. Zum Beispiel soll es einem im neuen WordPress wesentlich einfacher gemacht werden, eine Abmahnung dafür zu bekommen dass man ein urheberrechtlich geschütztes Video von YouTube oder einem vergleichbaren Dienst einbettet. Hierzu muss nicht mehr umständlich Code kopiert werden, der im Falle von YouTube auch noch fehlerhaftes XHTML ist, sondern es genügt ein Klick auf das Film-Icon im Editor und das Kopieren der URL der Videoseite. Die Abmahnanwälte dieses Landes freuten sich schon jetzt über die neuen Möglichkeiten in WordPress. Ich konnte voller Entzücken feststellen, dass dieses Feature ganz hervorragend funktioniert.
Mit besonderem Unbehagen sehe ich übrigens die jetzt verfügbare Massenaktualisierung von Plugins. Der automatische Update funktioniert häufig nicht, und wenn gleich eine ganze Handvoll Plugins mit einem Klick auf den neuesten Stand gebracht werden sollen, denn tun mir die vielen Freiwilligen in den Support-Foren jetzt schon leid.
Viele neue Funktionen sind eher Vorbereitung für die kommende Version 3,0 und werden vom normalen Blogger kaum bemerkt.
Was hingegen viele Blogger bemerken werden, das sind die neuen Anforderungen eines WordPress an den Server. Die MySQL muss jetzt mindestens in der Version 4.1.2 laufen. Wer sein Blog in einem billigen Angebot von Strato hostet, schaut jetzt in die Röhre – und es gibt bestimmt auch noch einige andere Hoster, die ältere Versionen des MySQL-Servers einsetzen. Na ja, und den zusätzlichen Bloat werden auch einige bemerken, wenn ihr Blog Leser hat und diese Leser immer häufiger statt der Beitragsseiten eine PHP-Fehlermeldung sehen, dass der virtuelle Speicher ausgegangen ist, oder auch immer wieder einmal eine nackte, weiße Seite, weil nicht einmal mehr genug Ressourcen zum Start des PHP-Interpreters vorhanden sind.
Ich persönlich empfehle im Moment jedem, sich die neue Version einmal in aller Ruhe anzuschauen und vor dem Upgrade zu überlegen, ob es wirklich sein muss. Natürlich muss es wirklich sein, wenn der Upgrade von einem Sicherheitsproblem erzwungen wird, aber so lange das nicht der Fall ist, dürfte es die bessere Wahl sein, einfach auf die erste Bugfix-Release 2.9.1 zu warten, die erfahrungsgemäß in ungefähr einem Monat veröffentlicht werden wird und dem neuen WordPress viele kleine Ärgernisse und Kinderkrankheiten nehmen wird.